Eine kleine Bootskunde - ein paar Stilfragen

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See-Wölfin
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Eine kleine Bootskunde - ein paar Stilfragen

Beitrag von See-Wölfin »

Motorbootkunde
Feuchte Träume
Urlaub! Wasser! Raus mit dem Motorboot!
Zuvor sollten jedoch ein paar Stilfragen beachtet werden. Eine kleine Bootskunde.


Nehmen wir mal ein einfaches Beispiel: Ein Mann sitzt mit einer Frau an der Bar eines Hotels am See. Irgendwann, sie haben schon bezahlt, sagt der Mann: "Schau mal, da drüben steht mein BMW Cabrio, wir könnten jetzt noch irgendwohin fahren." Mit ziemlicher Sicherheit verlassen viele Frauen in dieser Situation den Tisch in Richtung Damentoilette und flüchten durchs Fenster.

Wenn er hingegen sagt: "Schau mal, da drüben liegt mein kleines Motorboot, wir könnten jetzt noch auf den See rausfahren", wird ihm das wohl in den meisten Fällen nicht als präpotente Großkotzigkeit, sondern als schwer zu übertreffende Romantik ausgelegt. Ein Motorboot! Was gibt es Schöneres.

Wenn man dann aber mal genauer aufs Wasser schaut, ist das, was man dort sieht, allerdings ein Desaster. Die Zeiten, wo durch die Bucht von St. Tropez, über den Lake Michigan und den Lago di Como nur elegante Herren mit Kaschmir-Pullovern und Damen mit Seidentüchern in dunklen Mahagonibooten düsten, die Zeiten also, in denen Motorboot und absoluter, unbedingter Stil zwei Worte für dieselbe Sache waren, - diese Zeiten sind leider auch vorbei.

Was man auf den europäischen Seen und in Küstengewässern herumfahren sieht, gehört größtenteils von einer Wasserschifffahrts-Designpolizei aus dem Sportbootverkehr gezogen, und dass Umweltverschmutzung auch sonstige unästhetische Einleitungen ins Wasser umfasst, zeigt unter anderem das neue Video des verzauselten White-Trash-Rockers Kid Rock, der zu den Tönen seines Hits "All Summer Long" in einem sehr stilvollen Chris-Craft-Boot über die Seen donnert, was aber leider so aussieht, als hätte ein renitenter Erbe sich den Aston Martin seiner Mutter aus der Tiefgarage geklaut.

Dabei kann man noch froh sein, wenn zu Geld gekommene Haudrauftypen wie er wenigstens eine Chris Craft fahren. Denn was sonst so als Motorboot über die Gewässer schießt, sieht sehr oft aus wie ein überdimensioniertes, fünf Meter hohes Dampfbügeleisen aus einem Billigsupermarkt, das ein böser Mensch falschrum ins Wasser gelegt hat.

Vor schwarz verspiegelten Plastikscheiben lehnen da selbstgefällig grinsende Neureiche am Fiberglasaufbau, und wer weniger Geld hat, dümpelt auf der einen Meter hohen Vorstadtvariante herum - einer untermotorisierten, zahnbelagfarbenen Plastikschüssel, die aussieht, als hätte man irgendetwas aus Kunststoff auf dem Herd stehengelassen.

Auf diesen Klumpen sitzen dann ein paar johlende Freizeitkapitäne, starren durch Sonnenbrillen aus asiatischen Fälschermanufakturen und zerren aufgeblasene Plastikgurken oder -bananen hinter sich her, auf denen übergewichtige Kinder mit fetten Hunden im Arm sitzen.

Man muss jetzt also mal klarstellen: Motorbootfahren ist nur in ganz wenigen Fällen ästhetisch vertretbar und damit cool - diese Fälle markieren andererseits immer noch den Gipfel des Stils. Deswegen hier ein paar goldene Regeln. Erstens: Das Einzige, was man mit einem Boot hinter sich herziehen sollte, ist eine durchtrainierte Wasserskifahrerin.

Zweitens: Ein Boot hat niemals aus Plastik zu sein. Mit einem Plastikboot beweist man, dass man Bewohner eines gestalterischen Tiefseegrabens ist. Drittens: Bei Booten, die nicht aus Plastik sind, gibt es feine Unterschiede. Man muss sich entscheiden, was man mit seinem Boot darstellen will. Die Auswahl ist überschaubar, die Chance danebenzuliegen, dennoch groß.

Als Einstieg ins stilvolle Gleiten ist die Motorbootgattung der Runabouts oder Daycruiser zu empfehlen. Das sind Boote meist ohne Kajüte, auf denen bis zu acht Personen Platz haben. Man fährt damit auf den großen Binnenseen oder auf dem Meer in Küstennähe zum Baden, Angeln oder vom Haus zum Restaurant auf der anderen Seite der Bucht. Anita Ekberg, Brigitte Bardot und Jean-Paul Belmondo, Sean Connery und Sophia Loren haben das auch schon so gemacht. Macht es ihnen nach!


Mit alten Rivabooten kann man nichts falsch machen
Möchte man nichts falsch machen, kauft man eines der alten Rivaboote, eine Riva Super Florida, Tritone, Ariston oder eine Aquarama. Die kommen aus Italien, wurden bis 1996 aus Holz gebaut, und alle großen Stars hatten mal eine. Mit einer Riva bekennt man sich zum italienischen Design, zum Glamour der Filmstars, ohne protzig zu wirken. Die berühmtesten Boote dieser 160 Jahre alten Werft aus Sarnico am Lago d'Iseo sind sicher die Aquarama und die Aquarama Special, die bis 1996 aus Mahagoni gebaut wurden.

Seit dem Jahr 2000 kann man endlich wieder eine neue Riva kaufen, die das Design der alten Klassiker fortführt. Für ungefähr eine halbe Million Euro bekommt man eine Aquariva Super, ein Motorboot mit selbstbewussten 760 PS. Das ist mehr, als ein Mercedes McLaren SLR hat, der auch noch teurer ist und deutlich peinlicher aussieht. So wie die Aquariva designt ist, verzeiht man diesem Boot, dass es keinen Holz- , sondern einen Fiberglasrumpf hat.

Stefano Gabbana schenkte Domenico Dolce eine Aquariva, George Clooney mietet sich eine für seine Sommeraufenthalte am Comer See und ein Profisegler und Alinghi-Skipper scheint den Sound der Riva-Doppelachtzylinder ebenfalls sehr zu lieben.

Manche kaufen sie auch nur, um eine zu haben. Ein japanischer Geschäftsmann und Riva-Aficionado hatte sich eine Aquariva Super bestellt und das Stück zu Hause in den Garten gestellt, denn einen See oder das Meer hat er nicht in der Nähe. Aber er wollte sie jeden Tag sehen.

Es ist ein sonniger und sehr heißer Dienstag im August am Lago d'Iseo. Wir sitzen im hinteren Teil der Aquariva Super - einer Spezialanfertigung von Norberto Ferretti, dem Gründer der Ferretti-Yachts-Gruppe, zu der auch Riva gehört - auf orangefarbenen Polstern, neben Alessandra Viola, der Pressesprecherin von Riva. Sie trägt eine gestreifte Riva-Bluse und eine Riva-Baseball-Kappe.

Vorne sitzt Natale, der mit majestätisch minimalistischen Bewegungen das Boot auf 42 Knoten bringt. Natale ist über sechzig Jahre alt, war schon einmal im Ruhestand und wurde vom Riva-Firmenchef Ferruccio Rossi zurückgeholt, weil er sich wie kein anderer mit der Technik, aber auch der Haltung auskennt, die man an den Tag legen muss, wenn man eine Riva fährt (er habe, flüstert Alessandra Viola, schon Kirk Douglas und Sophia Loren chauffiert).

Die Aquariva Super ist der Topseller der Werft, sagt Ferruccio Rossi, der CEO von Riva. Die Motoren einiger Rivas kommen von MAN aus Deutschland, die Kunden aus aller Welt, und meistens sind das Leute, die es gern bei allem ein wenig extrovertiert haben. Menschen, die Riva, mögen, kaufen auch: Bentley Turbos in aparten Farbkombinationen, Renaissancevillen, original Bauhausmöbel und Picasso-Radierungen.

Dezent geht es mit der Schweiz
Wenn man es dezenter haben will und weniger seinen Stil als seine sportlichen Ambitionen zeigen möchte, nimmt man ein Boot der ebenfalls sehr alten Firma Boesch aus der Schweiz. Die Boote werden seit 1920 bis heute aus Holz gebaut und sind der feuchte Traum aller Wasserskifahrer. Paolo Brülisauer, der sogar im Winter auf dem Luganer See Wasserski fährt, sagt, dass kein Boot eine derart perfekte Heckwelle hinter sich lässt wie ein Boesch.

Der Mann muss es wissen, er hat vor knapp zwanzig Jahren den einzigen Boesch-Club gegründet und wuchs sozusagen in der Heckwelle eines Boeschbootes auf. Die Besitzer von Boeschbooten kommen also eher sportlich daher, reparieren häufig selbst und fahren unauffällige europäische Oberklassewagen. Sie sind lässig, legen keinen übermäßigen Wert auf Selbstdarstellung und tragen beim Clubtreffen Jeans und Poloshirt.

Zur Riva-Welt verhält sich der Boesch-Kosmos wie der Schweizer Calvinismus zum römischen Katholizismus. Und was für den klimabewussten Hollywoodstar der Lexus mit Hybridantrieb oder der Tesla-Hochleistungs-Öko-Roaster ist, das ist auf dem Wasser eines der Boesch Electric Power Boote: Es hat kein ferrariartig röhrendes Verbrennungsaggregat, sondern einen batteriegetriebenen Elektromotor im Heck, der das Boot - für eine halbe Stunde - völlig lautlos auf Wasserskigeschwindigkeit bringt. Dabei hört man, wie beim Segelboot, nur das Rauschen des Wassers.

Und dann gibt es noch die Klassiker der Neuen Welt. Amerikanisch unkompliziert, ohne wirklichen Stilauftrag, aber in der Holzbootszene eine feste Größe ist die Firma Chris Craft. 1874 in Algonac, Michigan, gegründet, war sie 1927 weltweit der größte Hersteller von Mahagonibooten, die nicht nur zu Lustfahrten eingesetzt wurden. Die amerikanischen Landungstruppen am D-Day 1944 fuhren hauptsächlich auf Booten von Chris Craft. Nach dem Krieg besaßen John F. Kennedy, Katharine Hepburn, Frank Sinatra, Dean Martin und Elvis Presley solche Sportboote.

Heute baut die Firma aber leider keine mehr aus Holz; das gegenwärtige Design ist eher etwas für Corvette- oder Camaro-Fahrer. Wenn Chris Craft, dann also ein altes. Von denen gibt es auch hierzulande immer mehr, in Potsdam findet Ende des Monats sogar ein Treffen von Chris-Craft-Besitzern statt. Und - darauf sind die Amerikaner bis heute stolz: Wie bei den italienischen Supersportwagen von De Tomaso, in denen Ford-Aggregate ihren Dienst auch bei Regen taten, kommt auch bei den Superbooten von Riva oft das Herz aus Amerika: Die Chris-Craft-Motoren wurden bis in die sechziger Jahre von Riva geordert und laufen auch

Und wem das alles nicht exklusiv genug ist, für den hält die Welt des unbedingten Stils noch einen kleinen Superlativ bereit: Die Pedrazzini-Werft am Zürichsee. Pedrazzini baute in den fünfziger Jahren mit der Superleggera ein dreisitziges Minimalmotorboot, das so futuristisch aussah, als sei es aus dem All herabgestützt. Noch heute verlassen nur wenige Boote die Werft, zu Preisen zwischen 280000 und 65000 Schweizer Franken.

Dafür bekommt man mit weißem Leder ausgeschlagene Mahagoniskulpturen, mit deren Eleganz und Perfektion es allenfalls noch die alten Bösendorfer Flügel und das Grand Hotel Villa Feltrinelli aufnehmen können.

Was leider nicht einmal Pedrazzini im Bug einbaut, sind ein paar anständige Torpedos, mit denen man den Plastikschrott zerlegen kann, der sonst noch so im Wasser herumtreibt.


Quelle: http://www.sueddeutsche.de/leben/191/307146/text/
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Meister
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Beitrag von Meister »

Also bei uns auf der Havel sind alle Holzbootkapitäne sehr hochnäsig :cry: ...keiner von Denen denkt nicht einmal daran andere Wassersportler zu grüßen :evil: :evil:
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